Westfalenpost vom 06.03.2021

 

Hier der ungekürzte Leserbrief, der entstanden ist, weil der Vorsitzende des Lobbyisten-Vereins „Route57“, Christian F. Kocherscheidt, in einem vorherigen Leserbrief die Entscheidung des OVG Münster als „Absurdistan“ bezeichnet hatte. Zugleich kommentierte er die Bemühungen unseres Netzwerks (in seinen Augen die „ewigen Kritiker“):  „Wie bei Pippi Langstrumpf: „Ich mach mir die Welt – widdewidde wie sie mir gefällt.“

 

Don’t mess with Pipi

Mit Pipi Langstrumpf wollten sich schon ganz andere Schwergewichte messen, das müsste Christian Kocherscheidt eigentlich eine Lehre sein. Doch Lernen scheint nicht ganz seine Stärke zu sein, wenn man doch lieber belehren oder gar urteilen möchte. Als „Absurdistan“ bezeichnet der Unternehmer und IHK-Vize nun zum zweiten Mal das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster, das dem Planungsverfahren zur Südumgehung Kreuztal Mängel attestiert. Hat Kocherscheidt das Urteil nicht verstanden? Denn im Grunde müsste es ihm aus der Seele sprechen. Das Gericht hat leider nicht darüber geurteilt, dass das Bauvorhaben massive Naturzerstörung verursacht – man denke nur an den wundervollen intakten Eichenwald, der sich gerade jetzt herrlich gegen die Fichtenkahlschläge abhebt – sondern ausschließlich im Sinne des Eigentumsrechts. Ein Metier, in dem sich Kocherscheidt zuhause fühlen müsste. Die Südumgehung würde laut Planfeststellungsbeschluss nicht nur über Grund und Boden des dort ansässigen Reitvereins führen, sondern diesen auch noch zusätzlich belasten. Denn die Ausgleichmaßnahmen, die für den Eingriff zu gewährleisten sind, sollen zu einem großen Teil auf seinen verbleibenden Flächen stattfinden. Übersetzt: Würde die Straße durch Kocherscheidts Vorgarten und einen Teil seines Hauses verlaufen, müsste er auch noch dafür sorgen, dass diese Eingriffe im Garten hinter seinem Haus sozusagen wiedergutgemacht werden. Mal ganz abgesehen davon, dass solche Ausgleichmaßnahmen niemals das wieder annährend gutmachen können, was zuvor zerstört wurde, wäre Kocherscheidt sicherlich der Erste, der gegen einen solchen Eingriff in sein Eigentum klagen würde. In diesem Fall würde er es sein Recht nennen, nicht „Absurdistan“.

Absurd ist, dass die von Kocherscheidt angeführte Beton-Lobby immer wieder öffentlich Behauptungen aufstellt, die einfach so in der Öffentlichkeit stehen bleiben. Absurd ist, dass an einer völlig überholten Straßenplanung festgehalten wird, die jeglicher sachlichen Grundlage entbehrt. Alle Zahlen – vom Verkehrsaufkommen bis hin zu den enormen Kosten – sprechen gegen das Projekt. Absurd ist, dass sich CDU-Abgeordneter Volkmar Klein am 25. März 2017 damit brüstete, die Höherstufung des Projekts „Route 57“ in den Vordringlichen Bedarf sei „seinen guten persönlichen Beziehungen zu Ministern und Staatssekretären“ zu verdanken (SiZ vom 27.03.17) und uns der Route-Verein heute glauben machen mag, die Höherstufung sei ein Ergebnis demokratischer Abstimmungen. Absurd ist, dass es schon längst ausreichende Verbesserungen im Straßenbestand gäbe, hätten nicht Politiker wie Klein & Co. dafür gesorgt, dass immer nur der große Wurf vorangetrieben werden durfte. Absurd ist, dass das Haus an der B62 zwischen Altenteich und Lützel nicht von der Behörde Straßen NRW erworben wurde, sondern nun im Privatbesitz ist und renoviert wird, obwohl dort ja die B 62 in Kürze dreispurig ausgebaut werden sollte. Die Liste der Absurditäten ließe sich fast endlos fortsetzen. Kocherscheidt wirft den Gegnern seines Projekts vor, sich nach Pipi Langstrumpf-Art die Welt so machen zu wollen, wie sie ihnen gefällt. Das ist ein schönes Bild. Wir alle sollten dafür sorgen, dass die Welt so wird, wie wir sie gerne hätten: lebenswert und nicht dahingerafft von menschlicher Habgier. Wer dem Klimawandel noch etwas entgegensetzen will, der kann nicht weitermachen wie bisher. Der kann nicht weiter Wälder roden, Flächen versiegeln und Wachstum propagieren, wo die Ressourcen an ihre Grenzen stoßen. Wir brauchen keine neue Straße, wir brauchen einfach mehr Pipis!

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